Der Fußball boomt, keine Frage. Volle Stadien, gerade in Deutschland, praktisch jedes Kind wird irgendwann mal gegen den Ball treten, viele gehen in Vereine. Die Sportart Nummer 1. Alles gut also?
Nun, man darf ruhig auch mal einige Bedenken äußern, was seine Zukunft angeht? Das Gerüst, auf welchem er aufgebaut ist, scheint recht stabil. Vielleicht gibt es dennoch ein paar potenzielle Bruchstellen? Abgesehen davon : viele betreiben ihn, weil es so einfach ist, loszulegen: Ball raus, eine Wiese, auf gehts. Aber: schauen denn auch genau so viele? Abgesehen davon: vielleicht wäre noch immer ein Wachstum zu erzielen?
Ein Punkt, um für mehr Fans, mehr Begeisterung, mehr Leidenschaft zu sorgen geht über die Berichterstattung. Dies ist ein speziell deutsches „Problem“. Denn bei ausländischen Reportagen, welche jederzeit zugänglich sind per Internet TV beispielsweise, ist das hier angesprochene Problem nicht in der gleichen Form zu erkennen. Zumindest ist, selbst wenn man die Inhalte nicht verstehen sollte, eines garantiert: der Sprecher fühlt sich nicht nur in der glücklichen Lage, etwas für ihn Spannendes zu beobachten, sondern dazu verpflichtet, eine Spannung seinen Zuhörern zu vermitteln. Der Tonfall klingt so: “das muss ich sehen.”
Gerade der Punkt „Spannung erzeugen“ steht hierzulande weit hinter dem „ich weiß schon alles, ich kann schon alles und ich hab schon alles gesehen“ zurück. Wichtiger ist es hier, dass man, als ausgewählter Kommentator, gerade nicht zu erkennen gibt, dass man Anspannung empfindet. Und sie ist selbst dann zurückzuhalten, zu unterdrücken, wenn man sie empfinden würde. Nüchternheit hat Vorrang und scheint als Merkmal des wahren Experten aufgefasst zu werden. Denn : gespannt, begeistert, emoitional, leidenschaftlich – die Behauptung steht anscheinend unausgesprochen im Raum –, wäre nur ein richtiger Laie, der nichts vom Fußball versteht. Der wahre Experte sieht bereits während eines Angriffszuges, was gerade wieder alles falsch läuft, wohin wer hätte laufen müssen und wohin jener hätte spielen müssen und welche Position gerade nicht besetzt ist und wer sich alles nicht bewegt und wer wen alles missversteht. Sollte aber diese die Angreifer betreffende Kette von Fehlern – Mitspieler übesehen, mangelnde Bewegung, Ungenauigkeit im Aufbau, kritische Momente des Abspiels verpassend, Verzögerungen, wo es schnell gehen müsste, unbesetzte Sturmzentren, schlechte Raumaufteilung, die unpräzisen Flanken — in einem erfolgreichen Torabschluss münden, dann wird der Spieß einfach umgedreht. Und zwar noch jenseits von “diametral”. Das ist selten genug der Fall, denn da genügt dem Sprecher die intuitive Wahrscheinlichkeitsrechnung , auf Erfahrungswerten basierend, dass es schon nicht eintreten wird, also wird die Sinnlosigkeit und anstehende Erfolglosigkeit der Angriffsbemühungen dauerhaft herausgestellt. Sollte es die Ausnahme eines Torerfolges geben, dann muss ja eine Menge falsch gelaufen sein – diesmal jedoch auf der Gegenseite.
Auf einmal haben die Abwehrspieler einen kollektiven Tiefschlaf gehabt, waren Angreifer sträflich frei, hat die Übergabe nicht funktioniert, war “keiner für den zuständig”, haben sie viel zu zögerlich agiert, haben sie “alle gepennt”, war als letztes plastisches Bild lediglich der Vergleich mit dem Hühnerhaufen und dessen Ordnungssystem anzustellen – wobei da der Hühnerhaufen eindeutig und haushoch im Vorteil ist, nach seinen Angaben.
Der “wahre Experte” erkennt : in jedem Angriffszug läuft etwas falsch. Recht einfach: Es wird ja fast jeder Angriff kein Tor. Und diese verschwindenden Restprozente, in denen doch ein Tor fällt, werden ohnehin sofort nach Abschluss der Aktion der Verteidigung angelastet. Eine sehr durchsichtige “Beschreibung” der Vorgänge, im primitven Verusch einer Selbstaufwertung. Dass sie zudem a) fast immer falsch und b) uninteressant, nachteilig, für ihn und seine Sendung ist, muss sowohl ihm als auch den Programmverantwortlichen entgehen und/oder schnuppe sein.
Jeder Ballbesitz könnte als eine Art von Angriff bezeichnet werden. Zu 99% wird dieser Angriff nicht zu einem erfolgreichen Torabschluss führen (das ein rein geschätzter Wert, schwerlich zu verifizieren, aber so weit kann er wohl nicht daneben liegen?). Man ist also “auf der relativ sicheren Seite”, wenn man diesen jetzigen Versuch gerade in seiner sich anbahnenden Erfolglosigkeit kommentiert. Sprich: die Angreifer machen etwas falsch, das ist so gut wie sicher. Es fehlen die Anspielstationen, kommt der letzte Ball nicht an, ist keine Bewegung im Spiel, sind die Außenpositionen nicht besetzt, klappt das Eins gegen Eins nicht, was sich nicht einmal jemand zutraut, und letzte Endes, wenn es doch zum Abschluss führt, jedoch einen ohne Torerfolg, ist die mangelnde Chancenverwertung verantwortlich, welche nicht nur in diesem Spiel einer erfolgreicheren Saison im Wege steht.
So weit der Standard, an welchem er sich orientiert, in vielen weiteren Facetten die Mangelhaftigeit offen legend. Dabei natürlich niemals den Status des “absoluten Fachmanns” aufgebend. Dieser zeichnet sich nicht nur durch den Tonfall aus, bei welchem klar wird, dass man ihn nun wirklich nicht überraschen kann und der alles bereits kennt, was je passieren könnte – nur die Ausführung selbst wenn ein Zuspiel ankommt noch immer nicht höheren Ansprüchen genügt, man also keineswegs aus dem Sessel zu gehen hätte — sondern zugleich durch ein besonderer Weitblick aus.
Wie unfair diese Art der Szenenbeschreigung ist, wird aber deutlich, wenn doch mal das einen Prozent eintritt. Nicht etwa, dass er nun zufrieden wäre. Nein, die Mängelliste wird noch wesentlich dramatischer! Die Abwehr befand sich “im kollektiven Tiefschlaf “, hat sie „den überhaupt nicht auf der Rechnung gehabt“, jenen „sträflich frei gelassen“, diesen „nicht energisch genug im Zweikampf“ bearbeitet oder hier „viel zu viel Platz gelassen“ und ohnehin ging „das alles viel zu einfach“ und „trägt auch der Torhüter eine Mitschuld“.
Tja, wie gesagt, durchsichtig, einfach, primitiv und noch dazu unwahr. Deshalb hier ein paar Forderungen an die Berichterstatter.
- Sie wissen nicht, was geschehen wird
Wenn man sich der Aufgabe gegenüber sieht, den Zuschauer zum Einschalten eines Fernsehsenders zu bewegen, dann muss es doch – übrigens auch unabhängig von der Sache, von der man berichtet — Ziel sein, den Zuschauer an diesen Bericht, an das Geschehen zu fesseln. Also selbst derjenige, der tatsächlich wüsste, was geschehen wird, hätte keinerlei Nutzen davon, dies dem Zuschauer mitzuteilen, bevor es eintritt. Möglicherweise kennt man dieses Phänomen: .
Beim Fußball und bei einem Live Bericht entfällt das ohnehin. Der Reporter kann es noch gar nicht wissen. Also möge er es unterlassen, nach einem Tor zu erklären, dass “sich das angekündigt hatte“. Wenn es sich ankündigen sollte, will man es höchstens in dieser Form vorher von ihm hören : „sie machen eine Menge Druck, hatten schon einige gute Gelegenheiten. Ein Tor wäre verdient.“ Denn derjenige der nach dem dann fallenden Ausgleich zum Beispiel sagt „das hatte sich angekündigt“ würde genauso, wenn die gegnerische Mannschaft das 0:2 erzielt hätte, sagen “Tja, so läuft das im Fußball. Wenn man seine Chancen nicht nutzt, dann…“ Das ist lächerlich. Besser und eigentlich selbstverständlich wäre: die Spannung selbst empfinden und dies dem Zuschauer vermitteln. Man weiß nicht, was geschehen wird. Man tut nicht einmal so. Erste Reporterpflicht.
- Beim Spielgeschehen bleiben
Bei einem Spiel mit deutschem Kommentar tritt das Spielgeschehen sehr häufig in den Hintergrund. Sicher ist das dem Umstand geschuldet, wie oben bereits erklärt, dass man als Sprecher a) Experte ist, als solcher keine Spannung empfindet, da man bereits alles, was es an Fußball und im Fußball gibt gesehen hat und b) ein Angriff eigentlich immer langweilig ist und nicht zu einem Tor führt. Also wird das komplette vor dem Spiel angelesene Wissen dem Zuschauer präsentiert, egal, wie spannend das Spiel auch wäre und welche Aktion in der Anbahnung statt findet. Die relative Gewissheit: “ein Tor? Fällt doch eh nicht”. Also kann man labern, was das Zeug hält – und weiter punkten in eigener Sache. “Man, was der alles weiß?” Obwohl es die Chance gäbe, einen Spielzug einzufangen – wie man ab und an feststellt und es sogar dem Sprecher im Grunde nicht entgeht –, er aber gerade mit Randgeschehen beschäftigt ist (“… hat seit 673 Minuten kein Tor mehr erzielt…”), dann lässt er mal eben einfließen: “Das alles kann ich Ihnen erzählen, weil auf dem Platz gerade nicht viel los ist.” Irgendwo scheint er sich zu entsinnen, dass er Reporter ist und dieser über aktuelle Geschehnisse zu berichten hätte? Wobei auch hier die Überzeugung besteht: “Wird schon nichts passieren in der Szene…”
Und wenn dann doch ein Tor fällt, schwenkt man blitzschnell um zu den „katastrophalen Stellungsfehlern“ oder, auch sehr beliebt: „Ein Tor, was so nie und nimmer fallen darf.“
Wenn doch endlich alle so vollkommen wären, wie der Kommentator in seiner aktiven Zeit in der intergalaktischen Liga! Und diese Hanseln da unten diese schrecklichen Fehler abstellen würden, die man „nicht mal in der F-Jugend“ machen darf, dann hätten wir endlich, endlich, das Traumziel erreicht: Keine Fehler, keine Tore, so wird einem doch weisgemacht?! Keine Fehler, keine Tore. Jedes Spiel 0:0! Kein einziger Zuschauer mehr! Können wir endlich was Vernünftiges mit unserer Zeit anfangen!
Zurück zum Thema: Spielgeschehen, die Spannung daran nicht nur empfinden (dürfen) sondern vor allem vermitteln, vermitteln wollen, sogar, falls es tatsächlich gerade mal nicht spannend zugeht sie es dem Geschehen andichten. Gelegentlich, wenn der Ball ruht, solche Phasen mit Vorwissen geschickt überbrücken, kann nicht schaden, oder ein paar Feinheiten herauskitzeln.. Keine Angst davor, dass man bei einem begeisterten Aufschrei, bei einer überraschenden Aktion mit der Zunge schnalzt, nicht den anderen Experten fürchten, der dazwischen rufen würde: „Watt denn, bei dem Bauerntrick is der schon ausm Häuschen? Dit ham wa früher im Sandkasten hinjekricht. Und meene Oma kannet ooch schon lange.“ Man denke ans Catchen: Eine Sportart, die nur durch dargebotenes Drama der Akteure sowie einen Marktschreier spannend wird, obwohl alles ein Fake ist. Dennoch gelingt es.
- Keine Allgemeinplätze
Jeder Allgemeinplatz raubt Spannung. Es drückt auch keine empfundene Spannung aus. Eine nüchterne Analyse macht man nach dem Spiel. Man hört häufig derartige Aussagen : „Sie kommen immer wieder über die linke Seite…“ Oder: weniger neutral aber noch immer als Allgemeinplatz : „Das Spiel ist geprägt von Fehlern im Aufbau.“ Schrecklich, so was. „Sie versuchen es immer wieder mit diesen langen Bällen.“ Aha, gut zu wissen. Stimmt es überhaupt? Egal, eher nein, aber wen schert´s? Unterhaltungswert? Null.
Diese Phrasen werden so dermaßen gelangweilt hintereinander runtergebetet – bis sie “abgedroschen” sind — , dass einem zwangsläufig der Spaß vergeht. „Die Flanken von rechts sind schwach, ungenau.“ „Keiner, der sich mal was zutraut“. „Die Ecken bringen keinerlei Torgefahr.“ Mensch, schau hin, hör zu, die Zuschauer im Stadion sind begeistert, es gibt Ecke, mal sehn was draus wird. Was hat man davon, wenn man hört, dass sie keine Gefahr bringen? Soll ich lieber so lange zum Kühlschrank laufen?
Es klingt immer wieder so, jeder einzelne Satz: „Schalt doch endlich ab. Hier passierte vorher nichts, jetzt nichts und es wird auch nichts mehr passieren.“ Ja,. ok, hab kapiert. Die Kündigung des Sky-Abos ist unterwegs.
Jeder weiß es: es fällt selten ein Tor. Das ist Fußball, so ist Fußball. Damit muss (??) man sich abfinden – oder die Sportart wechseln. Bei jeder Aktion zu mutmaßen :” Das wird nichts”, aus reinen Wahrscheinlichkeitserwägungen, ist unfair.
Es gab mal diese wahre Begebenheit: ein Anrufer bei Sky wollte ein Abo abschließen ausdrüclich OHNE Fußball. Die gibt es gar nicht, man muss das mitkaufen. Es ging dem Anrufer dabei nicht ums Geld. Er wollte es unter keinen Umständen haben, nicht einmal in die Gefahr geraten, es einzuschalten. Die Kündigungswelle ist in Schwung geraten. Aber mit der Berichterstattung hat das nichts zu tun? Bei der Jahreshauptversammlung 2013 hieß es: “Meinungsforschungsinstitute haben ergeben, dass der Zuschauer in Deutschland eine etwas distanziertere Berichterstattung wünscht.” Wer hat da geforscht? Wo sind die Ergebnisse der Umfragen? Problem allerdings: wen hätte man befragen sollen? “Wir machen eine Umfrage bezüglich der Qualität der Live Berichterstattung. Schauen Sie Fußball?” “Ja, ab und zu, doch, kommt vor.” “Wie gefällt Ihnen der Live Kommentar? Bitte ein paar Worte dazu.” “Äh, ich sagte: ich SCHAUE. Der Ton ist bei mir immer aus. Darüber weiß ich also nichts.”
„Die Leistung war einfach unterirdisch.“ Genau, gut eingeschätzt, die eigene…
Wovon war die Rede hier? Allgemeinplätze, genau. Unangebracht sind sie, falsch meist auch. Braucht man nicht, gehören nicht zu einem Live Spiel.
- Den positiven Anteil einer Aktion erkennen
Jeder kennt das Gleichnis mit dem Glas, welches halb voll oder halb leer ist. Man kann den positiven Anteil, der im Beispiel mit dem negativen exakt identisch groß ist, heraus stellen, oder man konzentriert sich auf die Wahrnehmung des negativen. Zitieren tut es jeder, sicher auch der Sportreporter. Wenn er aber seiner Berufswahl Genüge tun wollte, so müsste er sich entweder auf die 50/50 Aufteilung (gut/schlecht) einigen, oder im Sinne einer „sensationellen Reportage“ die guten Anteile noch mehr herausstellen. Ich sehe keinen Makel an der Überlegung. 50/50 wäre fair und objektiv. Sofern man ein bisschen Schönfärberei im Sinne einer aufregenden Reportage betreiben möchte, geht man mit dem Guten noch ein bisschen ins Plus. „Mann, war das ein tolles Spiel. Schade, dass Sie es verpasst haben!“ „Ach, ich hab was verpasst? Passiert mir nicht noch einmal!“ Siehe catchen…
Wenn ein Stürmer den Verteidiger umspielt, dann gibt es die Sichtweise, dass es eine gelungene Aktion ist oder die, dass der Verteidiger schwach war. Beides hat vielleicht seinen Anteil. Überzeugen könnte eine Differenzierung so, wie man es bei englischem Kommentar erlebt. Man spürt, dass der Sprecher die Qualität der Aktionen unterscheiden kann. Mal spricht er von „well done“, mal von „good defending“ und mal von „somewhat soft in the tackling“. Es wird differenziert, das erzielt Glaubwürdigkeit. Bei uns gibt es genau zwei Möglichkeiten: Wenn der Stürmer rumkommt, heißt es „das geht viel zu einfach“ oder „da muss er (Verteidiger gemeint) energischer eingreifen“ oder auch „er gibt freundlichen Geleitschutz“. Bleibt der Stürmer hängen, so „rennt er sich immer wieder fest“, „übertreibt er das Dribbling“ oder „spielt er zu eigensinnig“, „übersieht den mitgelaufenen…“.
Auch hier ist es ein Spiel von Wahrscheinlichkeiten. Manche Stürmer bekommen aufgrund ihrer Befähigung sogar den Auftrag vom Trainer, das Eins gegen Eins zu suchen. Der Trainer weiß sehr wohl, dass er nicht in allen Fällen rumkommen kann, das hängen bleiben ist einkalkuliert. Wenn er in einem von drei Fällen vorbeikommt, dann ist es schon insgesamt erfolgreich (man erinnere sich: Defensivzweikämpfe sind viel leichter zu gewinnen als offensive; siehe Datenbanken).
- Differenzierungen
Wie bereits angedeutet, muss man überall mehr differenzieren. Das Herunterleiern von Standradsprüchen langweilt definitiv. Man kann die Aktion mit geschlossenen Augen kommentieren. Man achtet sogar nicht einmal auf besonderen Wahrheitsgehalt, einen, der Aktion vielleicht noch entfernt angemessenen. Wie dieser hier: „Da haben sie alle gepennt.“ Na, und jetzt? Soll ich noch hinschauen? Wenn es stimmen sollte, will ich es nicht, weil es grausam ist, so schwachen Fußball sehen zu müssen. Falls es nicht stimmt, wird es nicht viel besser. Vor allem nicht für den Sprecher, der den Auftrag haben sollte, mich bei der Sache zu halten und gut und objektiv zu informieren. Hören will man es eh nicht, nein, keine Aneinanderreihungen von Fehlleistungen. Und dies gilt völlig unabhängig vom Wahrheitsgehalt, welcher, wie oben bereits angedeutet, von der Sichtweise, von Ansprüchen abhängt. „Die sind nicht erstligatauglich.“ Aber für die zweite wären sie vielleicht zu gut? Falls überhaupt mal irgendetwas zufällig stimmen sollte…
- Kein Fazit
Weder Fazits noch Zwischenfazits sind der Sache dienlich. Vor allem könnten sie nur eines bewirken: der Zuschauer vertraut diesem und, da es ein Fazit war, schaltet er ab. Die Beispiele wären endlos – da quasi in jedem Spiel eines gezogen wird und dieses fast immer verfrüht ist. Etwas konkreter wäre es so, vergleichbar mit der versuchten Prophetei bei einzelnen Aktionen, deren Erfolglosigkeit vorhergesagt wird, wenn ein Spiel 1:0 steht und die Schlussminuten beginnen : es wird in dieser Spielphase fast immer über den – wie immer – “verdienten” Sieger philosophiert, während auf dem Platz da unten gerade die Post abgeht. Man bekommt zwangsläufig das Gefühl, dass dem Sprecher die gerade aufkeimende Spannung gar nicht so recht ist, brächte doch eine Veränderung des Spielstandes das längst gezogene Fazit ins Wanken? Als erfahrener Fußballkonsument darf man anmerken: es ist die Phase, in welcher genau das Drama am ehesten passiert, welches einen Sportjournalisten zu einem solchen machen müsste. Es fällt der Ausgleich oder auch nicht, ab und an das 2:0. Torszenen aber wären ziemlich garantiert. Ob die Überraschung dann gespielt ist oder echt – wobei Letzteres auf Dummheit schließen lassen müsste –, abe regelmäßig bekommt man zu hören, dass man “dass dieser Mannschaft nach dem matten Auftritt bisher gar nicht mehr zugetraut hätte”. “Da erzeugen sie ja tatsächlich noch mal so was wie Torgefahr.” Nicht zugetraut, nicht drauf gehofft. Aber so passiert. War nur letzte Woche auch schon so? Was hat der Mann daraus “gelernt”? Nichts. Eben. Dumm.
Fazit, und hier darf ruhig eines gezogen werden:
Keine Fazits, während der Ball noch rollt! Leichenreden kann man abhalten nach der Beerdigung. Die heutigen Kommentatoren begraben nicht einmal nur Scheintote, nein, sie versuchen mit aller Macht, Quicklebendige unter die Erde zu bringen.
- Nach-Kommentierung
Wenn man nun denken würde, dass man den Zuschauer, den man Live mit dem ganzen Unsinn endlich vergrault hat, über die anschließenden Zusammenfassungen doch noch „zurückzuködern“, indem man die Highlights komprimiert abspielt, bei denen wenigstens eine gewisse Torhäufigkeit auftritt, dann gibt es auch dazu jede Menge Bedenken: Eine Zusammenfassung ist bei uns IMMER nachkommentiert. Das heißt, dass der Sprecher ohnehin die Position des Wissenden einnimmt. Dass er dann teilweise so tut, tun soll (überlegt man das überhaupt in den Sendeanstalten? “Mache es spannend, also verrate nicht zu viel!”, als Anweisung?), als ob er es noch nicht wüsste, damit die Zusammenfassung für den Zuschauer, der das Ergebnis noch nicht kennt, spannend bleibt, ist Makulatur. Er kann nicht anders, meist wird die Kommentierung “verräterisch”. Dem Verlierer ein tolles Tor bescheinigen? Nein, macht man nicht. Die Gefahr nämlich, welcher er sich aussetzte: eine so schwache Mannschaft positiv darzustellen bürge den Keim der Ahnungslosigkeit in sich. Vorherrschend also: an jeder einzelnen Aktion kann der wahre Experte (also: der Sprecher selbst) sogar bei den Highlights erkennen, dass das bei denen heute nichts werden kann. Man wird im Tonfall erkennen können, als aufmerksamer Zuhörer, dass die heute nix reißen werden.
Die Miesmacherei wird gegenüber einem Live-Kommentar sogar noch schlimmer, dadurch, dass er nun zuverlässig weiß, wer gewinnen wird und demnach eine gescheiterte Aktion getrost mit „so sahen die Angriffe der Freiburger an diesem Nachmittag aus, kommentieren kann“, mit Bildern zu einem erfolglosen Versuch. Live wäre immerhin noch die kleine Unwägbarkeit des endgültigen Ausgangs, nachher ist dieser Zweifel ausgeräumt, die Gewissheit der Schwäche (durch die bekannte Niederlage) einer Mannschaft bietet noch bessere „Hackmöglichkeiten“. „Schauen Sie sich das mal an, wie sie mit ihren wenigen Chancen umgingen. Kläglich ist noch geschmeichelt.“
Und, was kann man alternativ zu „immer mehr Unsinn verzapfen“ tun? Genau, über den Tellerrand schauen. Wie machen es Andere? Meine Vorbilder: Die Engländer. Es gibt quasi keine Nachkommentierung eines Spiels. Wenn eine Szene aufgearbeitet wird, dann immer mit dem Original Kommentar. Man schaue sich einen solchen Sonntagvormittag spaßeshalber einmal an. Es ist nicht einmal erforderlich, die Sprache zu können Man würde kaum mehr wegschauen können. Dabei handelt es sich nur um eine Zusammenfassung des Vortages! Nun gut, behaupten kann ich viel.
Vor allem eins noch: Bei uns entfällt die Möglichkeit der Realisierung des Vorschlags, auf Nachberichte zu verzichten: Denn ein deutscher Live Kommentar bietet noch bessere Einschlaf– und Ausschaltmöglichkeiten.
- Interviews
Im Interview muss doch bitte klar erkennbar sein, wer der Fußball-Experte ist und wer der Fragen-Experte zu sein hätte. Bitte, lieber Interviewer, sei froh, dass es dir gelungen und gestattet ist, diesen wirklichen Fachmann vor das Mikrofon zu bekommen. Versuche, interessante Fragen zu stellen und ein paar wertvolle Informationen herauszubekommen, die dem Zuschauer die Betrachtungsweise des Befragten näher bringen, die Einblicke gewähren, die uns sonst verborgen bleiben. Und fange nicht immer wieder mit diesen grausamen Fragen an: „Woran hats gelegen, dass Sie heute verloren haben?“ oder „wie lange denken Sie, dass Sie noch weiter arbeiten dürfen?“ Es ist do ermüdend, unerträglich. Man schafft mit diesem Unsinn auch eine Atmosphäre, in welcher der Befragte gar keine Lust mehr hat, die so interessanten Einblicke zu gewähren. Bitte, bitte, auch mit dem analysieren der Aussagen aufhören. Im Studio später: „Warum hat er das gesagt?“ „Das sagt man immer, wenn man schon weiß, dass man nächste Woche nicht mehr im Amt ist.“ „Die Treuebekenntnisse werden noch ausgesprochen. Aber wir kennen ja alle das Geschäft.“ Der Zuschauer hat keinen Informationsgewinn erzielt. Nicht aus dem vom Trainer Gesagten jedenfalls. Und genervt wurde er ohne Ende.
Wenn der Trainer auch antworten sollte: „Wir haben ein unglückliches Gegentor kassiert, danach wird es natürlich immer schwer, dazu haben wir die zwei, drei großen Ausgleichschancen verpasst.“ Reaktion: „Machen Sie es sich da nicht zu einfach?“ Was soll man nun noch sagen. Und die Befragten weichen auch immer öfter in Erkenntnis der Aussichtslosigkeit des Unterfangens, mit einer sinnvollen Aussage wahrgenommen zu werden, indem sie einfach antworten: „Ja wir waren heute einfach grottenschlecht und haben verdient die Klatsche kassiert.“ Dann erübrigt sich wenigstens das andernfalls übliche „Warum habe Sie denn…?“ Die Antwort ist erschöpfend. Nur: Der Zuschauer erfährt gar nichts mehr.
- Anerkenntnis von Glück und Pech
Das ist beinahe die entscheidende Forderung. Denn sowie das geschehen wäre, würden alle anderen platten Sprüche entfallen können. Sowie man weiß, erkennt, den Zuschauer spüren lässt, dass es in jeder Aktion von den kleinen Zufälligkeiten abhängt, ob sie gelingt, ob der Ball womöglich exakt an die Stell kommt, wo ihn der Stürmer verwerten kann, ob dieser ihn dann genau so trifft, dass er tatsächlich im Netz landet, oder ob er auf der anderen Seite genau mit der gleichen Menge an Pech eventuell nicht den Weg über die Linie findet, sowie man das anerkennt, würde man den Spaß an der Sache empfinden können und dies dem Zuschauer vermitteln können. Eine Schiedsrichterentscheidung, ein Ballverlust im Aufbauspiel, ein kurzzeitiger Aussetzer, alles ist permanent von diesen kleinen Zufälligkeiten abhängig, die letzten Endes über Sieg, Remis oder Niederlage entscheiden.
Was das Problem daran ist, es anzuerkennen? Sicher, es gibt Spielstärkeunterschiede. Wenn alle Mannschaften gleich gut wären und es zum reinen Glücksspiel „verkommen“ würde, wäre es zwar scheinbar durchgehend spannend, dennoch würde man sich als Zuschauer am Ende abwenden. „Da könnn se ooch würfeln.“ Man sieht keine Unterschiede mehr, man hat nicht einmal eine Chance, seine eigenen Favoriten herauszupicken, weil letztendlich immer nur Rot gegen Weiß oder Blau gegen Gelb spielt. Alle mit identischen Befähigungen.
Da diese Unterschiede bestehen, ist man bemüßigt, als sprechender Experte diese zu erkennen und dem Zuschauer deutlich zu machen. Damit unterstreicht man den eigenen Expertenstatus, was jedoch per se nach meiner Einschätzung keine Bedeutung haben sollte. Das ist hierzulande in den Vordergrund getreten, entfiele jedoch, sowie man sich dem (einzig sinnreichen, denn der Zuschauer finanziert das Ganze) Motto verschriebe, den Zuschauer gut zu unterhalten.
Meine Theorien grundsätzlich, warum es gerade im Fußball nicht erforderlich scheint, den Zuschauer gut zu unterhalten sondern stattdessen gnadenlos sämtliche „Fehler“ aufzuspüren und die Verursacher hemmungslos auszupeitschen liegt darin, dass es gefühlte 40 Millionen Experten gibt, die es „alle besser wissen“, die also allesamt den Platz des Sprechers in gewisser Weise streitig machen, und zweitens darin, dass der Fußball eine so zuverlässige Größe ist, das berühmte Dinosaurierei, welches man einfach nicht kaputt kriegen kann. Fußball wird es immer geben. Die Medien sind voll davon, die Stadien sind voll, nun kann ich als Sprecher die ganzen „Katastrophenfehler“ und das „wirklich ganz, ganz schwache Spiel“ und „man stelle sich mal vor: In der 30, Spielminute der erste Schuss aufs Tor Das sagt einiges über die Qualität dieses Spiels“ ruhig betonen
Bei einer kleineren Sportart oder überhaupt nur bei einem anderen Bericht hätte der Sprecher ganz sicher das Empfinden, die Verpflichtung, „die Story“ zu verkaufen. Beim Fußball kann er ruhig das ganze Spiel hindurch sagen, dass es total schwach und langweilig ist. a) Fußball geht nicht kaputt und b) ich bin richtig gut, ein wahrer Experte, der das nicht nur erkennt, sondern auch sich getraut es auszusprechen. Vielleicht kriege ich doch eines Tages noch den Nationaltrainerjob, so, wie ich mich auskenne?
Die Anerkenntnis von Glück und Pech würde sofort wieder für mehr Menschlichkeit sorgen. Und für denjenigen, der das für kein erstrebenswertes Ziel hält: Wenn man nach einem Spiel einmal sagen könnte: „Schade, dass Sie verloren haben, aber danke für das tolle Spiel und die gute Unterhaltung“ anstatt immer wieder nur zu fragen: „Woran lag es, dass Sie verloren haben?“ und, falls man die in vielen Fällen korrekte Antwort geben sollte „Wir hatten (etwas) Pech.“ dann wird man richtig auseinander genommen: „Flüchtet sich in billige Ausreden“, „hat nicht die Größe, die Niederlage anzuerkennen“ oder auch lapidar „Machen Sie es sich da nicht zu einfach?“. Es würde nicht nur menschlicher zugehen, sondern der Wahrheit wesentlich näher kommen. Und daran müsste man als Journalist doch interessiert sein?
Es ist bei einer Niederlage nicht die Frage, ob es Pech war, sondern wie viel Pech es war. Denn bei einem beliebigen Spiel, welches keinen vorbestimmten Sieger hat, den Zuwachs an Wahrscheinlichkeit von der Siegchance vor dem Spiel bis zum letztendlichen Sieg zu erzielen, geht nur durch Glück. Also auch ein 80%-Favorit benötigt für die bis 100 verbleibenden 20% Glück. Trotz der Möglichkeit, seine (überlegenen) Fähigkeiten in dem Spiel einzubringen. Wenn der Zuwachs anders als durch Glück zustande käme, würde es lediglich bedeuten, dass man die Siegchance vorher falsch eingeschätzt hätte.
- Zwei Kommentatoren
Auch dies eine Selbstverständlichkeit in England. Es sind immer zwei Sprecher, welche die Geschehnisse zu erhellen bemüht sind. Dies hat jede Menge, dafür ausschließlich positive, Effekte. Zum Beispiel kann man bei strittigen Situationen zumindest eine weitere Stimme einfangen. Dies hat zur Folge, dass sich der gerade Kommentierende nicht trauen würde, ein abschließendes Urteil abzugeben, aus der reinen Höflichkeit heraus, dass einer neben ihm sitzt, der es anders auffassen könnte. Es wird sicher kein Streit entfacht, versteht sich. Wenn überhaupt diskutiert man mal, gelegentlich sogar kontrovers – was aber zugleich alles andere als ein Nachteil ist, weil es ja dem Zuschauer, vielleicht gar in einer Gruppe vor dem Bildschirm sitzend, ähnlich ergehen könnte. Man überlegt selbst, der eine sieht es so, der andere so.
Dies wäre im Übrigen auch auf alltägliche Lebenssituationen übertragbar: wenn man alleine zu einer guten Entscheidung kommen möchte – beinahe egal, worauf diese bezogen ist, ein Urteil, eine Kaufentscheidung, eine Geschmacksfrage — , fällt dies wesentlich leichter, wenn man eine weitere Einschätzung hört. Bestätigt oder in Frage gestellt, die eigene Ansicht: man begibt sich zwangsläufig auf die Suche nach alternativen Argumenten oder bekommt diese präsentiert.
In Deutschland kommt es zwar gelegentlich vor, dass ein Co-Kommentator eingeladen wird, aber es ist keineswegs die Regel. Zugleich wird dieser Co-Kommentator doch – in den seltenen Fällen, dass einer vorhanden ist – anscheinend instruiert, dem Hauptkommentatoren nur ja nicht zu widersprechen. Ein “zu-Munde-reden” ist weitest gehend sinnlos, von daher könnte man sich das sparen – oder dem Geladenen gleiche Rechte einräumen. Trotz dieser Einschränkung erscheinen sie dennoch wesentlich angenemher, die derart durchgeführten Reportagen.
Bei Einzelkommentierungen – also dem Regelfall — wird man immer wieder von einem Einzelnen belehrt wird, was die korrekte Auslegung in dieser oder jener Szene war oder wer wen am Trikot gezupft hat und wer doch nichts gemacht hat, abgesehen von den permanenten Urteilen über Fehlleistungen, mit welchen keinerlei Übereinstimmung zu erzielen ist und welche zugleich den genannten Ursachen – “ich bin der Größte und weiß alles und darf urteilen” – sowie Folgen – Spannung im Keller – Vorschub leisten.
Ein Ärgernis, wenn einem erklärt werden soll, dass dies „eine Abseitsstellung war“, selbst wenn es, wie immer hauchzart und grenzwertig und somit “diskutabel”, trotz Standbildes, oder jenes „kein Elfmeter war“ und man keinerlei Widerspruchsrecht hat und nicht einmal eine Zweitstimme eingefangen werden kann. „Das war Foulspiel, ja, schaun wir noch mal. Ok, hier sehen Sie es: klares Foulspiel.“ Nicht auszuhalten, vor allem, wenn man anderer Auffassung ist (und wem stünde schon ein endgültiges Urteil zu?). Es ist auch längst so bei uns, dass der Sprecher nicht einmal mehr über eine Art von “Einsichtsrecht” verfügt, sich selbst zu korrigieren. Er muss seine erste Auffassung, seine erste Ansicht bestätigen, so zumindest seine Überzeugung, weil längst der nächste hinter ihm mit den Hufen scharrt und auf den zweiten Irrtum wartet, nach welchem der Wechsel vorgenommen würde.
Das macht die Sache nahezu grotesk. Eine beliebige Szene, ein spontan ausgesprochens Urteil,. Vergleichbar mit der Rolle des Schiedsrichters. Wobei a) dieser immerhin seine Assistenten hat und b) der Sprecher dies ja auf beliebige andere Szenen außer denen, welche eine Schiedsrichterentscheidung erfordern, ausdehnt. Überall sofort und spontan und unreflektiert und ohne mögliche “Gegenstimme” abgegebene Urteile, welche nichts als Besttigung bekommen? Nein, es geht so einfach nicht. “Torhüter trägt Teilschuld”, “muss er schneller spielen”, “hätte er selber probieren müssen”, “da muss er mehr draus machen”, “Handspiel, unstrittig”, “lässt ihm viel zu viel Freiraum”, “den muss er halten”, “klare Schwalbe”, “
Es wird keineswegs davon besser, dass man derartige, einmal getätigte Einschätzungen ausschließlich bestätigen darf. Man biegt es sich einfach zurecht. Nur ist dabei sogar die Suche nach der Wahrheit nicht mehr das Kriterium. Viel eher jene: „Wie kann ich mich hier unbemerkt durchschlängeln und immer gut dastehen?“ Lächerlich und traurig. Den Zuschauer/-hörer hat man eh längst aus den Augen verloren.
Mit zwei Kommentatoren entfielen alle derartigen Probleme. „For me that is a foul. What do you think, Gary?“ Man weiß es nicht sicher, man möchte sich auch gar nicht erst so aufspielen. Eine alternative Sichtweise wird eingeholt, per Nachfrage, oder gerne auch mal eine Bestätigung.
Sympathisch, angenehm und so viel näher an der Wahrheit…