Diese Woche gab es mal wieder Europapokal. Das Viertelfinale von Champions- und Euroleague stand an, mit immerhin noch drei deutschen Vertretern. Die Übertragungsrechte hat sich auch hier Sky Deutschland gesichert. Sie machten zwar von diesem Recht Gebrauch, jedoch betrieben sie, wie bei allen anderen Gelegenheiten der deutschen Fußball Übertragungen auch, die übliche Antiwerbung für das Spiel Fußball, für ihren Sender und für ihre eigene Zunft und Zukunft. Man muss schon sehr eingefleischter Fan dieses Spiels sein (und wohlgemerkt NICHT einer bestimmten Mannschaft) um die Bilder untermalt mit deutschem Ton zu ertragen. Es ist ein bisschen wie in der Folterkammer. Da man sich als Autor jedoch das Schreiben über diese Umstände zum „Alltagsgeschäft“ gemacht hat, muss man durch die Daumenschrauben und die eiserne Jungfrau eben hindurch.
Schalke hatte es mit Athletic Bilbao zu tun. Nun mag es zwar sein, dass dieser Name nicht gerade wie Donnerhall klingt, jedoch sollte man durchaus ein paar Anmerkungen zu einer korrekten Einstufung dieser Mannschaft – und in diesem Zusammenhang am besten gleich aller spanischer Mannschaften – machen. Bilbao hat in BEIDEN Paarungen zuvor gegen Manchester United gewonnen. Aber sie haben nicht nur gewonnen, sie haben im Hinspiel einen derart phantastischen Fußball gespielt, dass sie Man U mit 3:2 quasi aus dem eigenen Stadion fegten. Das war alles andere als Glück oder Zufall. Im Rückspiel gab es ebenfalls einen 2:1 Sieg, jedoch fiel das 1:2 aus englischer Sicht so kurz vor Ende, dass man kaum von einer ernsten Chance reden konnte.
Ist dies dem deutschen Kommentator entgangen? Von Anfang an hört es sich so an, als ob Schalke hier ein absolutes Glückslos gezogen hätte, eine Art walk-over, das man nur noch auf dem Weg zu dem bald verblassenden Ruhm der Eurofighter aus dem Weg zu räumen hätte.
Zugleich aber darf auf folgende Umstände aufmerksam gemacht werden: Spanien ist Europa- und Weltmeister. Sie haben den Deutschen seit langen Jahren mal wieder einige empfindliche Niederlagen zugefügt, die der ganzen Welt gut getan haben, da dort nämlich die Arroganz der Deutschen (vor allem in Bezug auf Fußball) längst erkannt ist und höchst unangenehm aufstößt. Wenn man die Chance hat, möchte man ihnen so sehr weh tun wie es eben geht – da man nämlich schon ziemlich viel einstecken musste, vor allem, was die Zuneigung der Glücksgöttin, den einen wiederkehrend und dauerhaft gegönnt, den anderen entsprechend verweigert, angeht. Und wenn die Deutschen verlieren, die schwarze Bestie eliminiert ist, dann geht weltweit ein Seufzer der Erleichterung durch alle Bevölkerungsschichten, Altersgruppen, Landstriche, Nationen, Kulturen, weil man diese Suppe, die von den sie habenden einfach nicht erkannt wird, nicht länger sehen will und aushalten kann. Die Deutschen sind raus? Hähä.
Nun hat Leverkusen eine Lehrstunde erhalten vom FC Barcelona. Hierzulande wird von der Schande gesprochen, die diese Thekentruppe „unserem“ Land bereitet hat. Alle haben von der BILD eine 6 erhalten. Weltweit hingegen wurde erkannt, dass es sich keineswegs um eine Schwäche von Leverkusen handelt, sondern ausschließlich der überragenden Qualität von Barca, vor allem jenem Messi, dessen Konterfei mittlerweile praktisch über allen Betten sämtlicher Jungen – vermutlich auch Mädchen — weltweit hängt, weil er einfach der Größte ist, und dazu so unglaublich sympathisch daherkommt, und der Leverkusen fünf Stück verabreichte, eines schöner als das andere, dem die Welt zu Füßen liegt und der mit jedem weiteren Treffer jene Genugtuung ausgelöst hat, die oben beschrieben ist. Die schwarze Bestie zuckt nicht einmal mehr. So und nur so mögen wir sie. Nix Bestie eben.
Bayern München tut nun so, als ob sie das Freilos Marseille hätten (nun gut, das Hinspiel wurde 2:0 gewonnen, selbst wenn ganz Nicht-Deutschland-Europa gerne ein anderes Ergebnis gesehen hätte), danach das schlagbare Real Madrid, und im Finale, gegen Barca, ist in einem Spiel im eigenen Stadion alles möglich, so hörte man.
Barca hat Leverkusen zerlegt. Sie hatten eine Sternstunde und, wie an anderer Stelle angemerkt, gibt es über die Leistung von Leverkusen einfach nichts Schlechtes zu sagen. Sie waren Statisten bei einem Galaauftritt. Selbst wenn schwer zu schlucken (für Sieg gewohnte, nein, Sieg beanspruchende Deutsche), dieses Barca war ein paar Nummern zu groß, das erkennt man Not gedrungen an, selbst wenn Leverkusen sogar auf das Hinspiel, in welchem sie in Hälfte 2 ein ausgeglichenes Spiel erreichten und fast zum Ausgleich gekommen wären, erhobenen Hauptes vom Platz gehen konnte.
Nur: Real Madrid steht in der spanischen La Liga 6 Punkte VOR Barca. Spielt das gar keine Rolle bei den bayerischen Überlegungen? Meinen sie, dass die spanische Ligatabelle ausgewürfelt wird? Wie kann man denn annehmen, dieses Real einfach so zu putzen, wie es sich anhört? Nein, nach den eigenen Empfindungen befragt: bitte, bitte, lass Bayern weiterkommen gegen Marseille – und dann pustet sie aus dem Stadion, Real! Allein schon für diese nicht abzulegende Arroganz, dass sie Real schon schaffen würden. Wenn man sich endlich mal in Demut üben würde, wenn man wenigstens diesen Respekt spüren könnte – wohlgemerkt, all dies ist an die Medien gerichtet –, die Anerkennung, dass man in diesem Duell klarer Außenseiter wäre, wie man ganz sicher am Wettmarkt ebenso erkennen wird. Nein, das „mia san mia“ ist das Motto des Jahrtausends – und deshalb wird es Real mit dem gebotenen Respekt angehen, die Spieler, der Trainer sowie die Medien diesen haben, die sich nie VORHER verbal auf die Bestie stürzen würden, vielleicht, weil man die Schmerzen schon kennt und sie nicht noch einmal spüren möchte. Dafür wäre die Genugtuung umso größer, wenn man sie denn erlegt hätte.
Alle spanischen Teams haben absolut herausragenden Fußball gezeigt. Auch Valencia und Atletico Madrid haben alle Aufgaben bisher bewältigt, teils mit (so gut man es beurteilen konnte anhand der Zusammenfassungen) phantastischem Fußball, der einfach nur Spaß macht, weil er so schnell, so perfekt, so Ziel gerichtet, so gefährlich ist und sie ständig Torgefahr ausstrahlen. Der spanische Fußball ist es, der so deutlich herausragt, und es scheint einfach niemand zu merken hierzulande.
Schalke hat wirklich eine gute Weile lang sehr gut mitgehalten gegen Bilbao. Sie haben sogar zwei Tore erzielt, welche übrigens in der Zusammenfassung mit spanischem Kommentar eingespielt wurden, und die nicht nur die dort ausgestrahlte Freude am Fußball vermittelten, sondern zugleich die Schönheit der Tore erkennbar machte, ohne Neid, Missgunst oder Fehlersuche, selbst wenn man erwähnen darf, dass sie ja auch von einer spanischen Legende namens Raul erzielt wurden. Da wurde einfach gejubelt, weil Fußball ein so schönes Spiel ist und weil einem das Herz aufgeht, wenn das Runde ins Eckige rauscht. Ungeachtet dessen, wem es gerade nützt oder schadet, geschweige denn, dass man sich emotionslos auf die Suche nach den „Schuldigen“ begibt, noch bevor der Ball einschlägt, wie hier üblich.
Schalke hatte sogar die Möglichkeiten zu einem 3:1 und sie haben so tollen Fußball gespielt, dass die Fans ihr Team bis zum bitteren Ende lautstark unterstütz haben. Auf den Tribünen hat man doch, wie daran erkennbar, ein Feingespür, was eine gute Leistung ist, und dies ist nicht nur auf die eigene Elf bezogen, sondern bezieht den Gegner mit ein. Dieses Spiel machte Spaß, weil es Fußball auf höchstem Niveau war. Die Fans erkannten es, der Sprecher, wie immer, gar nichts. Wenn man ihn hört, klingt es eher so, als ob Queen Mum Berlin besucht oder er die bedauerte Aufgabe erhielt, ein paar älteren Damen beim Kaffeeklatsch zuzuschauen – und darüber ein paar Worte verlieren müsste. Ist halt ein Job und ich brauch das Geld.
Als Bilbao das 2:2 gelang – welches angeblich aufgrund eines Fehlers hier und einer Unaufmerksamkeit dort fiel –, und ihm auch dabei entging, dass Bilbao alle Ecken brandgefährlich vors Tor brachte, brachen alle Dämme. Zunächst jene der begeistert jubelnden Spanier, welche man ja so gar nicht bezeichnen darf, da ALLE im Team Bilbaos stolze Basken sind, und dann, im Fortlauf des Spiels, indem Bilbao diese Kombinationskunst zeigte wie schon in Manchester. Das ging alles so blitzschnell und war so dermaßen brandgefährlich, alle in Bewegung und jeder Pass kam zum rechten Zeitpunkt, dazu mit höchster Präzision, das machte einfach Spaß, jedem, der das Spiel liebt. Sky hat eine Spaßbremse eingebaut und diese hinters Mikro gesetzt. Es ist wirklich ein Trauerspiel, dass kein einziger dieser brillanten Spielzüge, die Torchance auf Torchance produzierten, erkannt und entsprechend kommentiert wurde.
Schalke hat sich wirklich bis zur letzten Minute gewehrt und ein wirklich klasse Spiel gemacht. Huntelaar traf noch den Pfosten (beim Stande von 2:3), und ein weiterer Schuss von Raul ging haarscharf vorbei. Als Bilbao in der letzten Sekunde noch einmal an den Ball kam, die letzte Situation vor dem eigenen Tor bereinigt hatte – der Sprecher eh seit Minuten, wenn nicht von Anfang an mit dem Ziehen eines Fazits beschäftigt – gingen alle noch einmal vor. Sie WOLLTEN UNBEDINGT noch ein Tor. Die Schalker mögen es erkannt haben, aber es war zu spät. Das war nicht mehr zu verteidigen. Ein zauberhaftes Tor, das 2:4, danke, wie schön, dass es Fußball gibt.
Der Sprecher war längst in Agonie verfallen. Von Schönheit dieses Spieles, von Qualität einer Mannschaft, eines Spielzuges, von Begeisterung, von Kunst hat er nie etwas gehört. Er hat nur gehört, dass Deutsche immer gewinnen, und wenn sie es nicht tun, dass es der Vorenthaltung eines Glücksgefühles gleichkommt, wofür es gilt, den Verantwortlichen ausfindig zu machen. Das fällt einem deutschen Sprecher ziemlich leicht, denn immerhin hat man ja die für heute wirklich etwas tragischen Helden auf dem Platz, auf denen man, ohne, dass diese sich zur Wehr setzen können, herumhacken kann. Diese Gunst der Stunde hat er weidlich genutzt. Natürlich sind es, wie seit etwa 58 Jahren üblich, im Siegfall immer „wir“ die gewinnen, im Verlustfall „die“, die uns das Glücksgefühl (schuldhaft) verwehrt haben. Wenn er nur für einen Moment mal Anteilnahme empfunden hätte, zu erkennen gegeben hätte, wenn er nur für eine Sekunde geschwiegen hätte und das Publikum hätte sprechen lassen, welches nämlich für die glänzende Abendunterhaltung unabhängig vom Ausgang dankbar war.
Ins gleiche Boot würde ICH mich nur mit Freunden und Anhängern des Spieles setzen wollen. Mit IHM? Niemals!